Retrofit: Nachrüstung schafft Nachhaltigkeit
Bei Multivac ist die Anzahl der Aufträge im Bereich Retrofit im Vergleich zu Neumaschinen drei bis vier Mal höher
Eine Studie von Bearingpoint und der Hochschule München [1] zeigt, dass sich produzierende Unternehmen in Deutschland zwar mit der Digitalisierung in der Produktion beschäftigen, aber von einer vollständigen Umsetzung noch weit entfernt sind. Als größte Hürde sehen die Befragten den Mangel an finanziellen Mitteln und Zeit. Gleichzeitig sind gerade für Mittelständler aktuell die Kredithürden hoch. Hier bieten Retrofits eine attraktive Alternative, um kostengünstig bestehende Maschinen auf den neuesten technischen Stand zu bringen.
Welche Upgrade-Optionen gibt es speziell für Verpackungsmaschinen?
Langlebige Maschinen schonen die Umwelt
Produzierende Unternehmen können dank nachhaltiger Prozesse, eigener Energieerzeugung sowie durch den Einsatz recyclingfähiger Verpackungskonzepte einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung der Ökobilanz leisten. Der Bereich Retrofit spielt dabei eine entscheidende Rolle: Denn Langlebigkeit der Maschinen bedeutet nachhaltige Ressourcenverwendung.
Mithilfe moderner Maschinen lässt sich auch der Ressourcenverbrauch im Verpackungsprozess reduzieren, etwa durch die Optimierung der Packungsgeometrie oder die Reduzierung der Foliendicken. Zudem werden pneumatische Komponenten optimiert, um den Verbrauch teurer Druckluft zu minimieren und pneumatisch angetriebene Komponenten durch elektrische ersetzt, was ebenfalls den Druckluftverbrauch senkt.
Die Installation von Überwachungstools hilft, ineffiziente Systeme zu identifizieren und zu erneuern, wodurch der Ressourcenverbrauch weiter reduziert wird. Da sich Marktanforderungen regelmäßig ändern, sollten Umbauten und Modernisierungen der Anlagen so einfach wie möglich sein. Mit einer zusätzlichen regelmäßigen Wartung lassen sich die Maschinen über viele Jahre – bis hin zu Jahrzehnten – auf einem hohen technischen Niveau betreiben.
Digitalisierung als Katalysator für Retrofit
Die Digitalisierung übt einen erheblichen Einfluss auf die Nachfrage nach Retrofits aus. So hat sich die Nachfrage nach Upgrades der Steuerungssysteme in den letzten Jahren vervielfacht, da immer mehr Unternehmen ihre Maschinen vernetzen und digitalisieren möchten – vor allem bei den Tiefziehverpackungsmaschinen. Diese Upgrades steigern die Effizienz, was zu höherer Produktivität führt und gleichzeitig den Energieverbrauch sowie die Betriebskosten senkt. Die Lebensdauer einer Maschine lässt sich durch den Einsatz moderner Technologie, die geschätzt für die nächsten 15 Jahre verfügbar sein wird, nahezu verdoppeln.
Langlebige und stabil laufende Maschinen sind ein Grundbedürfnis der Lebensmittelproduktion. Ein exzellenter After Sales Service spielt daher eine entscheidende Rolle bei der Kaufentscheidung von Unternehmen. Es gilt das Motto: „Die erste Maschine verkauft der Vertrieb – jede weitere der Service.“
Erfolgsfaktoren für Retrofit
Der Retrofit-Prozess beginnt mit einer gründlichen Analyse der vorhandenen Maschinen und deren Anforderungen. Häufige Gründe für eine Modernisierung sind geänderte Marktanforderungen der Kunden, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, die Anbindung an andere Systeme im Rahmen von Industrie 4.0-Konzepten, der Wunsch nach Produktivitätssteigerung oder neue gesetzliche Vorgaben. Bei Multivac ist die Anzahl der Aufträge im Bereich Retrofit im Vergleich zu Neumaschinen drei bis vier Mal höher.
Das Unternehmen bietet standardisierte Modernisierungspakete an, die alle notwendigen Komponenten und Anpassungen umfassen, von mechanischen, elektrischen und pneumatischen Komponenten bis hin zu Programmanpassungen der Maschinensteuerungen. Gleichzeitig entwickeln die Experten in enger Abstimmung mit Kunden individuelle Nachrüstpakete, die für deren spezifische Bedürfnisse maßgeschneidert sind. Bei komplexen Modernisierungen sorgt ein spezialisiertes Projektteam – bestehend aus Verkäufern, Vertriebsmitarbeitern, Konstrukteuren, Steuerungstechnikern sowie Service- und Helpdesk-Mitarbeitern – dafür, dass der Retrofit-Prozess reibungslos verläuft.
Grundsätzlich sollten Maschinenhersteller im regelmäßigen Austausch mit ihren Kunden stehen, um mögliche Technologie-Updates proaktiv vorzuschlagen. Die Bauteil-Obsoleszenz stellt eine der größten Herausforderungen im Maschinenbau dar. Hersteller sollten daher bei Abkündigungen spezifischer Bauteile von Dritten vorausschauende „last orders“ durchführen, um die Verfügbarkeit der Teile möglichst lange zu gewährleisten.
Ausfallzeit minimieren
Ziel ist es, die Ausfallzeit der Maschinen während der Modernisierung möglichst kurz zu halten. Die Dauer der Produktionsunterbrechung ist von verschiedenen Faktoren abhängig, insbesondere von der Art der Modernisierung und der Maschine selbst. Eine gründliche Vorbereitung vor dem Umbau sowie die optimale Auslegung der gelieferten Baugruppen tragen zu kurzen Ausfallzeiten bei. Ein kontinuierlicher Austausch mit den Abteilungen Vertrieb, Konstruktion und Service gewährleistet, dass potenziell lange Umbauzeiten bei zukünftigen Projekten berücksichtigt werden.
Jede Modernisierung muss die aktuellen gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Die Maschinen müssen, sofern erforderlich, an die neuesten Sicherheitsnormen angepasst werden. Ein umfassendes Test- und Dokumentationsverfahren kann sicherstellen, dass alle Sicherheitsanforderungen erfüllt werden.
Vernetzt und komfortabel
Ältere Maschinen lassen sich mit digitalen Produkten und Dienstleistungen erweitern. Dies bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre Maschinen besser zu überwachen, zu analysieren und zu warten, was zu einer höheren Effizienz und Produktivität führt. Digitale Services sind standortübergreifend über die Cloud verfügbar. Transparente Prozesse und Prozessdaten in Echtzeit leisten einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit von Anlagen.
Beispiele für digitale Services sind:
- Analysen der Betriebsdaten einer Verpackungsmaschine: Das Tool erfasst die prozentuale Verfügbarkeit, Packungsqualität und Leistung der Maschine und berechnet daraus die Overall Equipment Effectiveness (OEE) der Verpackungsmaschine,
- Auslesen und Analysieren der Nachrichten- und Fehlerspeicher der Maschine, damit bei einer Störung die Daten zur Fehlerbehebung zur Verfügung stehen, wodurch sich die Maschinenstillstandzeiten reduzieren lassen,
- automatische Datensicherung der Einstellungen auf der Verpackungsmaschine in einem geschützten Online-Bereich,
- automatisches Benachrichtigungssystem für fällige Wartungsarbeiten,
- Visuelle Darstellung von individuell definierten Kennzahlen einer Verpackungslinie,
- Automatische „Live“-Überwachung des Zustands von Maschinenkomponenten und des Produktionsprozesses.
Die Bedeutung von Nachrüstungen wird in Zukunft weiter zunehmen, da sowohl der Druck zur Digitalisierung als auch die Anforderungen an nachhaltige Produktionsprozesse weiter steigen werden. Dank digitaler Retrofits können Lebensmittelhersteller neue Strategien entwickeln und effizientere Prozessabläufe in der Produktion etablieren. Aktuelle Forschungsprojekte setzen künstliche Intelligenz ein, um Vorhersagen über die optimale Herangehensweise und Art der Sensorik für digitale Retrofits zu treffen. So lassen sich Modernisierungen noch besser auf die Ziele und Anforderungen der Unternehmen abstimmen. Digitale Retrofits haben das Potenzial, vielen Mittelständlern einen organischen Einstieg in Industrie 4.0 zu ermöglichen.
Autoren: Andre Kühlmuß, Product Manager TFP Retrofits und Andreas Hofmeister, Product Manager Spare Parts & Service, beide Multivac
Literatur
[1] Bearingpoint und Hochschule München, „Industrie 4.0: Die unvollendete Revolution“, Januar 2024.
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