Transparenz schafft Vertrauen
Der „Global Food and Beverage Survey Report 2022“ von WTW zeigt, wie die Lebensmittelindustrie ihre Risikolage einschätzt
Der Klimawandel hat immense Auswirkungen auf die Lebensmittel- und Getränkeindustrie – Hochwasser, Dürren und Buschfeuer bedrohen die Ernten in allen Teilen der Welt. Aber auch Unsicherheiten in der Lieferkette und Reputationsrisiken stellen eine ernstzunehmende Herausforderung für die Lebensmittelbranche dar. Der „Global Food and Beverage Survey Report 2022“ von Willis Towers Watson (WTW) legt offen, wie die Lebensmittel- und Getränkeindustrie ihre eigene Risikolage einschätzt.
Darin bekennt ein Großteil der Unternehmen, sich nicht ausreichend für diese Risiken abgesichert zu haben. Dies zeigt der Global Food & Beverage Survey Report 2022, durchgeführt von WTW, einem der weltweit führenden Unternehmen in den Bereichen Advisory, Broking und Solutions.
„Unternehmen stehen vor großem Handlungsbedarf“, kommentiert Monika Behrens, Geschäftsführerin der Willis Towers Watson Versicherungsmakler, die Survey-Ergebnisse. „Klimawandel, Lieferkettenprobleme und Reputationsrisiken stellen reale Bedrohungen für den Unternehmenserfolg dar. Unternehmen sollte daher genau hinschauen, Risiken präzise analysieren, Präventionsstrategien entwickeln und Absicherungsmaßnahmen treffen. Nur so lassen sich unliebsame Überraschungen vermeiden oder Folgeschäden begrenzen.“
Für den Survey befragte WTW 250 Führungskräfte führender Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie weltweit zu den größten wirtschaftlichen Bedrohungen, denen sie sich gegenübersehen. Dabei unterscheidet der Report interne Risikofaktoren – also solche, die die Unternehmen selbst vermeiden oder bekämpfen können – und externe Risikofaktoren – Bedrohungslagen, auf deren Entstehung die Marktteilnehmer keinen unmittelbaren Einfluss haben.
Top-Risiko Klimawandel
Als größte externe Bedrohung gelten Umweltrisiken: 40 % der Teilnehmer ordneten diese in den Top 5 ein. „Schon heute zerstören Unwetterereignisse wie Hagel, Hochwasser oder Dürren die Ernten sowohl in Deutschland als auch im Ausland“, sagt Sylvester Lahmann, Head of Food & Beverage bei WTW. „Doch auch Sachwerte wie Gebäude, Produktionstechniken oder Lager können durch häufigere Klimaereignisse Schaden nehmen.“
Dennoch gaben mehr als zwei Drittel der Befragten (68 %) an, dass ihre Organisation keinen oder keinen passenden Versicherungsschutz für die aus dem Klimawandel resultierenden Risiken habe oder dass unklar sei, unter welche Versicherungsart diese fallen. „Hier zeigt sich, dass vielen Unternehmen eine durchdachte Risikostrategie fehlt, in der sie ihre Bedrohungen genau qualifizieren, quantifizieren und anschließend mögliche Absicherungsmaßnahmen darauf abstimmen“, so Lahmann.
Um dem Klimawandel zu begegnen, seien umfassende Analysen zum Worst-Case-Szenario und daraus abgeleitete Maßnahmen zur Risikoprävention notwendig. Lahmann: „Unternehmen müssen sich z. B. fragen: Was passiert mit meinen Anbaugebieten, wenn die Temperatur in den nächsten Jahren um 1,5 Grad – oder sogar noch mehr – steigt? Sie brauchen eine Strategie, die das Risiko etwa von Ernteausfällen von vornherein minimiert. Eine Versicherung ist nur der letzte Schritt für all jene Risiken, die sich präventiv nicht beherrschen lassen.“
Ressourcenmangel
Die Auswirkungen der Pandemie und geopolitischer Unsicherheiten auf weltweite Lieferketten und vor allem die Verfügbarkeit von Rohstoffen setzen der Lebensmittelindustrie ebenfalls zu: Nach Umweltrisiken stellen die Kosten und Verfügbarkeit von Ressourcen das zweitgrößte externe Risiko dar (38 %). Dabei sind die Risiken in der Beschaffung vielfältig. Hinzu treten bspw. noch Logistik- und Lagerprobleme, Personalmangel oder fehlende Container-Kapazitäten.
„Die drängendste Aufgabe für Unternehmen ist eine klare Strategie zur Sicherung und Stabilisierung ihrer Lieferketten“, so Lahmann. Dazu gehören z. B. Multisourcing (die Zusammenarbeit mit mehreren Zulieferern) sowie Nearshoring (Ressourcen wieder aus nahegelegenen Gebieten nutzen).
Reputationsrisiken managen
Als größtes internes Risiko gilt für die befragten Unternehmen der Reputationsschaden. „Die Lebensmittel- und Getränkeindustrie ist besonders auf das Vertrauen des Konsumenten angewiesen. So müssen Unternehmen eingesetzte Rohstoffe transparent kommunizieren – Stichwort Inhaltsstoffe und Allergene. Darüber hinaus sind Nachhaltigkeitsstandards einzuhalten, bspw. die Gewährleistung von Menschenrechten in der Lieferkette“, erklärt Lahmann.
Der richtige Umgang mit Reputationsrisiken stellt für viele Unternehmen jedoch eine Herausforderung dar: Mehr als drei Viertel der Teilnehmer (79 %) gaben an, dass Reputationsrisiken am schwierigsten zu managen sind. Lahmann: „Datenbasierte Analysetools kombiniert mit Künstlicher Intelligenz erkennen Bedrohungen in Echtzeit und helfen dem Unternehmen, sich dagegen zu schützen. Auch durch das Echtzeit-Monitoring von Social Media können Unternehmen Shitstorms frühzeitig identifizieren und entsprechend reagieren.“
Neben dem Klimawandel setzt auch das Kriegsgeschehen in der Ukraine der Industrie zu. Zwar wurde der Survey vor und zu Beginn des Krieges durchgeführt, doch die Auswirkungen machten sich schon vorher durch weggebrochene Absatz- und Rohstoffmärkte, steigende Energiekosten oder mangelnden Versicherungsschutz bemerkbar, wie die Antworten der Teilnehmer zeigen.
Fazit
Lahmann betont: „Um sich den neuen Gefahren stellen zu können, gilt es jetzt, die Risikolandschaft für das eigene Unternehmen konkret zu analysieren und sich entsprechend abzusichern. Die Risikovermeidung bleibt dabei immer der erste und wichtigste Schritt. Aber auch die Innovationskraft der Versicherungsindustrie ist gefragt, um in Zukunft Schutz vor den Folgen neuartiger Schäden zu bieten.“ Für die Versicherung von nicht vermeidbaren Risiken gilt nach Lahmanns Markterfahrung folgendes: „Nur wenn Unternehmen ihre Risiken umfassend analysieren und sinnvolle Präventionsmaßnahmen ergreifen, halten Versicherer auch die Kapazitäten vor, um Restrisiken abzusichern.