KI als Gamechanger
Richard Werran, British Standards Institution: Wie der Lebensmittelsektor von intelligenten Technologien profitiert
Künstliche Intelligenz (KI) verspricht, die Lebensmittelbranche zu revolutionieren. Doch wie können Unternehmen die Vorteile optimal nutzen? Richard Werran, Global Director Retail, Consumer & Food bei der internationalen Normierungsorganisation British Standards Institution (BSI), beleuchtet in diesem Beitrag die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von KI und diskutiert die Bedeutung von strategischer Planung, Vertrauensbildung und Mitarbeiterschulung für eine erfolgreiche Implementierung.
Technologie spielt bereits eine zentrale Rolle auf dem Weg, den unsere Lebensmittel von der Quelle bis ins Regal zurücklegen. Von Robotern, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, über die Automatisierung in Produktionslinien, bis hin zu Online-Lieferungen, die Produkte in unsere Haushalte bringen. Mit dem Voranschreiten der KI-Transformation können wir erwarten, dass sich nun auch KI-Tools in der Branche etablieren werden.
Dies ist eine spannende Perspektive: Es gibt klare Vorteile, sei es bei der Verwaltung und Überwachung der Lieferkette, der Robotik in der Landwirtschaft oder dem Einsatz von KI zur Überwachung der Lebensmittelqualität und zur Reduzierung von Abfällen. Zu diesen Vorteilen könnten die Optimierung von Prozessen und die Steigerung der Effizienz, Produktivitätsgewinne und eine reibungslosere Beschaffung durch globale Lieferketten gehören. Viele große Lebensmittelunternehmen setzen bereits KI ein und sprechen proaktiv darüber. Dazu gehören bspw. Pepsico, das Sensoren einsetzt, um zu ermitteln, wann Maschinen ausfallen könnten oder auch Kraft Heinz und Nestlé, die mit Tastewise zusammenarbeiten, einer datengesteuerten Plattform, die KI einsetzt, um Unternehmen bei der Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte zu unterstützen. Für viele bekannte Unternehmen wird KI ein zentraler Bestandteil ihres strategischen Denkens und ihrer Geschäftsplanung sein.
Große Unternehmen machen jedoch nur einen Teil der Lebensmittel-Lieferkette aus. Es gibt kleine Landwirte, unabhängige Produzenten und viele Akteure in einer komplexen globalen Lieferkette. Selbst wenn große Konzerne KI sehr überlegt und entwickelt einsetzen, sind eine ganze Reihe von Organisationen noch unsicher, wo sie anfangen sollen. Viele von ihnen sind von Natur aus margenschwach und scheuen große Investitionen ohne erfolgreiche Pilotprojekte. Um diesen Unternehmen dabei zu helfen, KI als eine fortschrittliche Kraft einzusetzen, die Produktivität und Unternehmenswachstum vorantreibt, werden einige Schlüsselbereiche entscheidend sein. Dazu gehören langfristiges Denken, Vertrauensbildung, Kommunikation und Schulung.
Ein Unternehmen als großes Ganzes mit KI zu betrachten, ist von grundlegender Bedeutung. Unabhängig von der Größe des Unternehmens werden strategische Planung und langfristiges Denken entscheidend sein – zu wissen, welche spezifischen Tools einen Mehrwert bieten, wo Geld ausgegeben werden soll oder welche Teams vorhanden sein müssen, um KI zu nutzen. Doch laut einer Studie von BSI haben nur 46 % der Unternehmen in der Branche eine KI-Strategie und weniger als ein Viertel geben an, dass das Tool auf Vorstandsebene im Fokus steht (23 %). Hinter den Daten verbirgt sich, dass nur die Hälfte der Lebensmittelunternehmen derzeit die Investitionen in KI erhöhen und mehr als ein Drittel (36 %) sagen, dass ihr Unternehmen derzeit nicht genug in KI-Tools investiert. In Anbetracht der Tatsache, dass 74 % der Befragten in der Branche sagen, dass Unternehmen, die nicht in KI-Tools investieren, einen Wettbewerbsnachteil haben werden, gibt es hier eindeutig Handlungsbedarf.
Eine weitere Priorität für Unternehmen in der Branche ist die Priorisierung von Maßnahmen zur Vertrauensbildung. Hier zeichnen die Studien-Daten ein optimistischeres Bild, z. B. gaben 74 % an, dass ihr Unternehmen Kunden Informationen darüber zur Verfügung stellt, wie KI im Unternehmen eingesetzt wird oder welche zukünftigen Pläne bestehen – mehr als der globale Durchschnitt von 69 %. Dies ist vielleicht nicht überraschend – Transparenz und Vertrauen sind wesentliche Zutaten für den Erfolg in der Branche. Denn die Kunden wollen wissen, woher ihre Lebensmittel stammen, welchen Weg sie von der Quelle bis ins Regal zurückgelegt haben und sie wollen sicher sein, dass das, was sie konsumieren, sicher ist. Für die Unternehmen in der Lebensmittelbranche, die bei proaktiven Schritten zur Nutzung von KI zur Steigerung von Produktivität und Effizienz führend sind, werden Transparenz und Vertrauen zentrale Faktoren sein.
Gleichzeitig gab es in der Branche schon immer viele manuelle Tätigkeiten, die durch KI und Robotik automatisiert werden könnten. Wenn KI effektiv eingesetzt werden soll, müssen die Lebensmittelunternehmen auch ihre Mitarbeiter auf diese Reise mitnehmen. Viele von ihnen sehen KI möglicherweise als Bedrohung für ihre Arbeitsplätze oder zumindest als etwas, auf das sie sich noch nicht vorbereitet fühlen. Doch bereits jetzt gibt es in der Branche Jobs, z. B. im Bereich der Nachhaltigkeit, die es vor zehn Jahren noch nicht gab.
KI könnte ein Chancenbeschleuniger sein und neue Rollen sowie spannendere Tätigkeiten schaffen. Aber die Kommunikation der Potenziale von KI für den Einzelnen und die Branche als Ganzes sowie der Strategie des Unternehmens ist absolut entscheidend. Ebenso geht es darum, Menschen so weiterzubilden, dass sie Teil der Erfolgsgeschichte werden können. Derzeit gaben nur 39 % der befragten Führungskräfte in der Lebensmittelbranche an, dass ihr Unternehmen über ein Lern- und Entwicklungsprogramm verfügt, um eine erfolgreiche Durchführung von KI-Schulungen zu gewährleisten. Demgegenüber sagten 88 %, dass Unternehmen die Verantwortung tragen, Teams für die Nutzung von KI-Tools zu schulen, um Arbeitsplätze zu schützen.
Die Aussicht, bahnbrechende Technologien einzusetzen, um die Produktivität zu steigern, Lebensmittel nachhaltig und sicher zu liefern und das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu verbessern, ist eine attraktive Perspektive für die Lebensmittelbranche. Am Horizont sehen wir die Möglichkeit von Lieferketten, die weniger anfällig für Störungen sind, eine Reduzierung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung und eine Chance, die Auswirkungen des Anbaus von Nutzpflanzen auf die Umwelt zu verringern. KI kann nicht jede Herausforderung lösen, aber sie ist zweifellos eine große Chance für die Lebensmittelbranche.
Positiv ist, dass die Begeisterung unter den Führungskräften wächst – 79 % in der Branche sagen, dass sie heute mehr Vertrauen in KI haben als noch vor einem Jahr – was darauf hindeutet, dass die Lebensmittel- und Landwirtschaftsbranche die Chance hat, die fortschrittliche Kraft der KI zu nutzen.
Letztendlich ist der Erfolg nicht garantiert. Es bedarf strategischer Planung und langfristigen Denkens, um KI erfolgreich zu integrieren. Außerdem braucht es Maßnahmen, um das Vertrauen von Kunden und Mitarbeitern zu gewinnen. Der Preis ist ein effizienterer und produktiverer Lebensmittelsektor, der die Bedürfnisse der Kunden sicher und nachhaltig erfüllt.
Autor: Richard Werran, Global Director – Retail, Consumer & Food, British Standards Institution (BSI)