Fooddesign, Hygiene und Überwachung
Motivieren Sie noch oder führen Sie schon? Durch wertebasierte Führung das Qualitätsbewusstsein steigern
Bericht von der 12. Akademie Fresenius QS-Leiter Tagung am 8. und 9. Dezember 2020 (Online-Konferenz)
Diese Frage stellte die Präsentation von Florian Frankl (Milei/Q-Enthusiast), die den Vortragsblock „Qualitätskultur“ der 12. Akademie Fresenius QS-Leiter-Tagung eröffnete. Sie fand am 8. und 9. Dezember 2020 als Online-Konferenz statt. Ilka Müller von der Akademie Fresenius begrüßte die Teilnehmer*innen und übergab die Moderation der Veranstaltung an Prof. Dr. Markus Grube (KWG Rechtsanwälte). Die LVT-Redaktion nahm am Jahrestreffen der QS-Verantwortlichen teil und berichtet hier darüber.
Die Konferenz gliederte sich in sechs Themenblöcke: IFS Food Version 7, Rohstoffsicherheit, Analytik und Risikomonitoring, Recht und Kennzeichnung, Listerien sowie Qualitätskultur.
Rohstoffsicherheit Dr. Jürgen Sommer von Freiberger Lebensmittel gab einen Praxisbericht zum Thema Risikomonitoring von Rohstoffen. Unabhängig davon, ob die Rohstoffe regional oder global bezogen würden: Für QM und QS gelte gleichermaßen: Gutes müsse auf den Tisch. „Die Erwartungshaltung unserer Kunden bestimmen unsere Ziele“, so Jürgen Sommer. Auf dem Weg dahin seien Kontrolle und ein gutes System die Basis, entscheidend sei es aber, die richtigen Partner zu finden. Folgerichtig beschrieb der Referent die Verlässlichkeit in der Zusammenarbeit mit den Lieferanten als ein hohes Gut. Es gelte aber auch, auf moderne Technologien zu setzen, die z. B. in digitaler Form Lieferketten überwachen.
Jürgen Schlösser (Schloesser Consult) sprach über die Risiken und Chancen eines weltweiten Lieferantenmanagements unter den Aspekten von Auswahl, Bewertung und Audits. Lebensmittelbetrug und Lebensmittelfälschung nutzten auch unerwartete Allergene für ihre kriminellen Aktivitäten: So könnte es durchaus sinnvoll werden, Knoblauchgranulat auf Erdnüsse zu untersuchen. Der Experte mit 30 Jahren QS- und QM-Erfahrung wies das Auditorium auf das Risiko der Fehldeklaration hin. „Sie müssen damit rechnen, dass sie komplett fehldeklariert sind!“, so Jürgen Schlösser. Mit Blick auf die momentane globale Situation von Lieferanten außerhalb der EU sagte der Referent: „Brasilien und Argentinien haben gelernt, was erwartet wird.“ Bei Mexiko sehe dies aber schon anders aus. Südafrika sei auf einem sehr hohen Level gewesen, habe aber genau dieses wieder verloren. Mit Blick auf Südasien fragte der Referent: „Die Inder kaufen selbst nicht bei indischen Lieferanten. Warum sollten wir dort einkaufen?“ In jedem Land gebe es kulturelle Hürden und mit genau diesen seien mitteleuropäische Einkäufer und QS-Verantwortliche meist überfordert.
Analytik und Risikomonitoring „Sicherer Import von Bio-Ware“ war das Thema der Präsentation von Johanna Stumpner von der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL). Die Referentin gliederte ihren Vortrag in die drei Teile „Neues auf dem gültigen Recht“, „neue Bio-Verordnung“ und „Risiken kennen und verringern – das Risk-Tool zur Lieferantenbewertung“. Betreffs der neuen Bio-Verordnung, seien gegenwärtig [Stand 8.12.2020] drei Verordnungen veröffentlicht: die VO 2018/848 (Basis-VO), die VO 2020/427 (Sprossen und Aquakultur) und die VO 2020/464 (Tierhaltung, Datenbank, Verarbeitungsverfahren) veröffentlicht worden. Die AöL rechne mit 15-18 weiteren Verordnungen, der Gültigkeitsbeginn der neuen Bio-Verordnung sei mittlerweile auf 1.1.2022 verschoben.
Dr. Markus Dürrschmid sprach in seinem Vortrag über das Allergenmanagement entlang der Lieferkette als Bestandteil der QS. Er erläuterte die Einflussgröße der Datenqualität am Beispiel einfacher und komplexer Lieferketten und den Umgang mit fehlenden Informationen.
Die Präsentation „Rückstände und Kontaminanten aus Sicht eines Herstellers von Bio-Babynahrung“ wies als Autoren Dr. Norbert Fuchsbauer, Dr. Georg Hartmann und Jürgen Gloser aus. Dr. Norbert Fuchsbauer (Hipp-Werk Georg Hipp) hielt den Vortrag anlässlich QS-Online-Konferenz. Der Referent beschrieb Hipp in Zahlen als europäischen Marktführer für Babynahrung mit acht firmeneigenen Produktionsstätten und über 60 Jahren Erfahrung in ökologischer Landwirtschaft. Heute seien rd. 8.000 Landwirte für das Unternehmen tätig. Verarbeitet würden rd. 150.000 t Bio-Rohstoffe.
Als Hersteller von Babynahrung sei man in der Pflicht, eine zuverlässige Qualitätssicherung für eine besonders sensible Verbrauchergruppe zu gewährleisten. Besondere Herausforderungen stellen aber anspruchsvolle Regulierung (DiätVO, ÖkoVO, KontVO, BasisVO) und die weltweite Beschaffung vom Bio-Rohstoffen in erheblichen Mengen. Letztere sei besonders anfällig für Food Fraud sowie Rückstände und Kontaminanten. Dabei ergäben sich komplett neue Szenarien auch durch verschärfte Höchstmengen. Als Beispiel nannte Norbert Fuchsbauer die Änderung der VO (EG) 1881/2013 in 2016, welche die Höchstmenge für anorganisches Arsen auf 0,1 mg/kg festlegte. Infolgedessen waren bei Reis für die Herstellung von Lebensmitteln für Säuglinge und Kleinkinder keine Vollkornprodukte aus Reis mehr möglich. Gängige Rezepturen mit Reis gerieten so unverhofft auf den Prüfstand. Aktuell könne Reis aus Europa aufgrund der zu hohen Arsengehalte nicht mehr verarbeitet werden, und so müsse man auf Lieferanten aus Mittelamerika, Südafrika und Asien ausweichen. Auch die Fischanteile in den Rezepturen durften aufgrund zu hoher Quecksilberbelastungen den Grenzwert von 20 % in der Rezeptur nicht mehr überschreiten. Als weitere Herausforderungen durch Risikosubstanzen in der QS von Babynahrung nannte der Referent u. a. Schimmelpilzgifte (Alternaria Toxine), Chlorat, Nitrat und Furan. Mit Blick auf Nitrat musste der Rezepturanteil von Spinat in der Babynahrung ebenfalls mehrfach gesenkt werden.
Als wirksame Gegenstrategien Teil I der QS bei dieser Gemengelage riet Norbert Fuchsbauer zu einer vorverlagerten Qualitätssicherung mit Qualitätsverantwortung im Agrarmanagement und im Einkauf. Hier zahle sich in aller Regel eine langjährige Zusammenarbeit mit den Lieferanten aus. Darüber hinaus empfehle sich eine Verfolgung der Qualität über die gesamte Lieferkette mit einer Risikobewertung für jeden Rohstoff und eine strategische Prüfplanung für verschiedene Stufen.
Als wirksame Gegenstrategien Teil II der QS sei die Bearbeitung neuer wichtiger Themen in einem eigenen wissenschaftlichen Team wesentlich. Der Referent brach eine Lanze für die Festlegung eigener Höchstwerte (auch bei noch nicht geregelten Parametern) um gesetzliche Vorgaben langfristig sicher einhalten zu können. Die QS bei Hipp untermauerte die Präsentation für den Standort Pfaffenhofen mit Zahlen: Mehr als 110 Mitarbeiter*innen in zehn Teams bearbeiteten mehr als 25.000 Prüflose und 345.000 Analysen, 50 % davon im internen Labor. Darüber hinaus seien weitere QS-Mitarbeiter*innen an anderen Standorten mit angeschlossen.
Dr. Anna Fecke (Eurofins Food Germany) sprach über „Föderalismus und der Vollzug des Lebensmittelrechts: Folgen für Industrie und Handel am Beispiel Chlorat in Fischereierzeugnissen“. Mögliche Quellen von Chlorat seien die Verwendung von gechlortem Trinkwasser, die Reinigung bzw. Desinfektion mit chlorhaltigen Wirkstoffen und der Eintrag über Reinigungsmittel wie z. B. Kalilauge.
Der von der WHO empfohlene Richtwert für Chlorat im Trinkwasser liege bei 0,7 mg/kg. Dabei verwies die Referentin auf den Bericht des BVL zur Lebensmittelkontrolle 2019: Von 80 Proben Pangasius-Tiefkühlfilets aus vietnamesischer Aquazucht wiesen 79 % der Proben Chlorat auf. 10 % der Proben waren über dem akuten Referenzdosiswert von 0,036 mg/kg Körpergewicht. 2020 hätten allerdings die aktuellen Chlorat-Gehalte in Fischen und Garnelen deutlich abgenommen. Empfohlen werde eine Deklarierung bei Tiefkühlware, die Eiswasserglasur unter fließendem Wasser abzuwaschen, um eventuell vorhandenes Chlorat so zu reduzieren.
Recht und Kennzeichnung Peter Loosen (Lebensmittelverband Deutschland) gab eine Präsentation zu „Grüner Deal und neue Strategie vom Hof auf den Tisch – was bedeutet sie für die Lebensmittelwirtschaft?“ Darüber hinaus sprach Hildegard Rennebaum vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen über „Beanstandungspraxis und Aktuelles aus der Lebensmittelüberwachung“.
Das Thema „Hanfhaltige Lebensmittel – rechtliche Situation und Fallstricke“ beleuchtete Dr. Stefan Walch vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe. Bernd Kurzai (Edeka Verband) behandelte in seiner Präsentation die Frage „Nutri Score – wie rechtssicher ist die Verwendung?“
Listerien Dr. Edwin Ernst vom Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg gab eine Präsentation zu „Listerien und die Verordnung EG Nr. 2073/2005 – Herausforderungen für Unternehmen und Behörden“. Passend zu dieser außerordentlichen mikrobiologischen Herausforderung der Produktion behandelte Katja Herdering (Zur Mühlen Pruduction Services) den praktischen Teil in ihrem Vortrag das Thema „Systematisch Listerien im Griff haben: Praxisbericht aus Brühwurstwerken“.
Qualitätskultur „Motivieren Sie noch oder führen Sie schon? Durch wertebasierte Führung das Qualitätsbewusstsein steigern“, diese Frage stellte die Präsentation von Florian Frankl (Milei/Q-Enthusiast), die den Vortragsblock „Qualitätskultur“ einleitete. Carla Latijnhouwers vom TWI Institut sprach über „Unterweisung kann man lernen! Vorführung der TWI-Job instruction-Methode“ und zeigte damit einen bewährten Weg zur verbesserten Mitarbeiterunterweisung. Stimmen der Teilnehmer*innen
Nach der Veranstaltung äußerten sich verschiedene Teilnehmer*innen auf Nachfrage der LVT-Redaktion mit einem schriftlichen Statement zur 12. Akademie Fresenius QS-Leiter Tagung als Online-Konferenz am 8. und 9. Dezember 2020:
„Auch online hat sich die Teilnahme an der QS-Leitertagung von Fresenius wieder gelohnt. Mit dem Eindruck des gerade bestandenen IFS-Audits in unserem Haus, waren die Beiträge über die kommenden Änderungen bei IFS 7 passend. Auch der Beitrag über ein weltweites Lieferantenmanagement ist bei einem Gewürzwerk immer aktuell, denn die wenigsten Gewürze und Kräuter wachsen in Europa. Auch Rückstands-, Kontaminanten- und Allergenanalytik und Management sind bei uns täglich Brot. Ich freue mich auf die nächste QS-Leitertagung, hoffentlich wieder als Präsenzveranstaltung, denn die anregenden Smalltalks in den Pausen und bei der Abendveranstaltung haben doch gefehlt“, so Ute Sasse, Leiterin der Qualitätskontrolle bei Hela Gewürzwerk Hermann Laue in Ahrensburg.
„Vielseitige Veranstaltung in einem neuen Format, welches Zeit und Wege spart. Als Fachreferentin eine neue Erfahrung, die für die aktuelle Situation sehr passend ist. Andere interessante Referenten und Teilnehmer haben die zwei Tage kurzweilig gemacht. Durch den spannenden Teilnehmerkreis werden die Fachthemen auch ohne direkte Präsenz an ein interessiertes Fachpublikum verteilt. Es wäre schade gewesen, wenn diese Veranstaltung nicht hätte stattfinden können“, schrieb Dr. Anna Fecke, Sales Team Managerin bei Eurofins NDSC Food Testing Germany an LVT.
„Die QS-Leiter-Tagung bot auch dieses Jahr eine große Vielfalt an interessanten Themen. Die Mischung aus eher Allgemeinem, wie IFS-Zertifizierung bis hin zu Details in der Vermeidung von mikrobiologischen Risiken im Betrieb spiegelte die Bandbreite der täglichen Arbeit wider und verschaffte mir neue Einblicke und Denkanstöße. Obwohl wir uns nicht persönlich treffen und z. B. in der Kaffeepause austauschen konnten, wurde in guter Atmosphäre präsentiert und diskutiert“, so Dr. Norbert Fuchsbauer, Leiter der Interessenvertretung – Lebensmittelsicherheit im Hipp-Werk Georg Hipp.
Fazit Auch im neuen Format der Online-Konferenz haben Inhalt und Konzeption der QS-Leitertagung einmal mehr überzeugt und auch die Technik hat im digitalen Format beste Qualitäten bewiesen! Wichtige Impulse wurden in lebendigen Diskussionen gesetzt, inspiriert von der professionellen Moderation von Prof. Dr. Markus Grube (KWG Rechtsanwälte). Erneut profitierte die Veranstaltung von der perfekten Organisation und dem stringente Zeitmanagement des Teams der Akademie Fresenius rund um Ilka Müller. Auf die Folgeveranstaltung darf man gespannt sein.
- IFS Food Version 7
- Thomas Neuhaus (IFS Management) führte in die IFS Version 7 ein, die ab dem 1. März 2021 anwendbar ist und ab dem 1. Juli 2021 verpflichtend wird. Der Referent identifizierte sechs wesentliche Neuerungen:
- mehr Fokus auf betriebliche Prozesse (basierend auf ISO/IEC 17065),
- mindestens jedes dritte Zertifizierungs-Assessment ist unangekündigt,
- Anpassung des Bewertungssystems,
- Änderung des Maßnahmenplans: Korrektur versus Korrekturmaßnahme,
- Änderungen in der Checkliste und Lebensmittelsicherheitskultur,
- GLN Nummern (Global Location Numbers) sind verpflichtend.
Rohstoffsicherheit Dr. Jürgen Sommer von Freiberger Lebensmittel gab einen Praxisbericht zum Thema Risikomonitoring von Rohstoffen. Unabhängig davon, ob die Rohstoffe regional oder global bezogen würden: Für QM und QS gelte gleichermaßen: Gutes müsse auf den Tisch. „Die Erwartungshaltung unserer Kunden bestimmen unsere Ziele“, so Jürgen Sommer. Auf dem Weg dahin seien Kontrolle und ein gutes System die Basis, entscheidend sei es aber, die richtigen Partner zu finden. Folgerichtig beschrieb der Referent die Verlässlichkeit in der Zusammenarbeit mit den Lieferanten als ein hohes Gut. Es gelte aber auch, auf moderne Technologien zu setzen, die z. B. in digitaler Form Lieferketten überwachen.
Jürgen Schlösser (Schloesser Consult) sprach über die Risiken und Chancen eines weltweiten Lieferantenmanagements unter den Aspekten von Auswahl, Bewertung und Audits. Lebensmittelbetrug und Lebensmittelfälschung nutzten auch unerwartete Allergene für ihre kriminellen Aktivitäten: So könnte es durchaus sinnvoll werden, Knoblauchgranulat auf Erdnüsse zu untersuchen. Der Experte mit 30 Jahren QS- und QM-Erfahrung wies das Auditorium auf das Risiko der Fehldeklaration hin. „Sie müssen damit rechnen, dass sie komplett fehldeklariert sind!“, so Jürgen Schlösser. Mit Blick auf die momentane globale Situation von Lieferanten außerhalb der EU sagte der Referent: „Brasilien und Argentinien haben gelernt, was erwartet wird.“ Bei Mexiko sehe dies aber schon anders aus. Südafrika sei auf einem sehr hohen Level gewesen, habe aber genau dieses wieder verloren. Mit Blick auf Südasien fragte der Referent: „Die Inder kaufen selbst nicht bei indischen Lieferanten. Warum sollten wir dort einkaufen?“ In jedem Land gebe es kulturelle Hürden und mit genau diesen seien mitteleuropäische Einkäufer und QS-Verantwortliche meist überfordert.
Analytik und Risikomonitoring „Sicherer Import von Bio-Ware“ war das Thema der Präsentation von Johanna Stumpner von der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL). Die Referentin gliederte ihren Vortrag in die drei Teile „Neues auf dem gültigen Recht“, „neue Bio-Verordnung“ und „Risiken kennen und verringern – das Risk-Tool zur Lieferantenbewertung“. Betreffs der neuen Bio-Verordnung, seien gegenwärtig [Stand 8.12.2020] drei Verordnungen veröffentlicht: die VO 2018/848 (Basis-VO), die VO 2020/427 (Sprossen und Aquakultur) und die VO 2020/464 (Tierhaltung, Datenbank, Verarbeitungsverfahren) veröffentlicht worden. Die AöL rechne mit 15-18 weiteren Verordnungen, der Gültigkeitsbeginn der neuen Bio-Verordnung sei mittlerweile auf 1.1.2022 verschoben.
Dr. Markus Dürrschmid sprach in seinem Vortrag über das Allergenmanagement entlang der Lieferkette als Bestandteil der QS. Er erläuterte die Einflussgröße der Datenqualität am Beispiel einfacher und komplexer Lieferketten und den Umgang mit fehlenden Informationen.
Die Präsentation „Rückstände und Kontaminanten aus Sicht eines Herstellers von Bio-Babynahrung“ wies als Autoren Dr. Norbert Fuchsbauer, Dr. Georg Hartmann und Jürgen Gloser aus. Dr. Norbert Fuchsbauer (Hipp-Werk Georg Hipp) hielt den Vortrag anlässlich QS-Online-Konferenz. Der Referent beschrieb Hipp in Zahlen als europäischen Marktführer für Babynahrung mit acht firmeneigenen Produktionsstätten und über 60 Jahren Erfahrung in ökologischer Landwirtschaft. Heute seien rd. 8.000 Landwirte für das Unternehmen tätig. Verarbeitet würden rd. 150.000 t Bio-Rohstoffe.
Als Hersteller von Babynahrung sei man in der Pflicht, eine zuverlässige Qualitätssicherung für eine besonders sensible Verbrauchergruppe zu gewährleisten. Besondere Herausforderungen stellen aber anspruchsvolle Regulierung (DiätVO, ÖkoVO, KontVO, BasisVO) und die weltweite Beschaffung vom Bio-Rohstoffen in erheblichen Mengen. Letztere sei besonders anfällig für Food Fraud sowie Rückstände und Kontaminanten. Dabei ergäben sich komplett neue Szenarien auch durch verschärfte Höchstmengen. Als Beispiel nannte Norbert Fuchsbauer die Änderung der VO (EG) 1881/2013 in 2016, welche die Höchstmenge für anorganisches Arsen auf 0,1 mg/kg festlegte. Infolgedessen waren bei Reis für die Herstellung von Lebensmitteln für Säuglinge und Kleinkinder keine Vollkornprodukte aus Reis mehr möglich. Gängige Rezepturen mit Reis gerieten so unverhofft auf den Prüfstand. Aktuell könne Reis aus Europa aufgrund der zu hohen Arsengehalte nicht mehr verarbeitet werden, und so müsse man auf Lieferanten aus Mittelamerika, Südafrika und Asien ausweichen. Auch die Fischanteile in den Rezepturen durften aufgrund zu hoher Quecksilberbelastungen den Grenzwert von 20 % in der Rezeptur nicht mehr überschreiten. Als weitere Herausforderungen durch Risikosubstanzen in der QS von Babynahrung nannte der Referent u. a. Schimmelpilzgifte (Alternaria Toxine), Chlorat, Nitrat und Furan. Mit Blick auf Nitrat musste der Rezepturanteil von Spinat in der Babynahrung ebenfalls mehrfach gesenkt werden.
Als wirksame Gegenstrategien Teil I der QS bei dieser Gemengelage riet Norbert Fuchsbauer zu einer vorverlagerten Qualitätssicherung mit Qualitätsverantwortung im Agrarmanagement und im Einkauf. Hier zahle sich in aller Regel eine langjährige Zusammenarbeit mit den Lieferanten aus. Darüber hinaus empfehle sich eine Verfolgung der Qualität über die gesamte Lieferkette mit einer Risikobewertung für jeden Rohstoff und eine strategische Prüfplanung für verschiedene Stufen.
Als wirksame Gegenstrategien Teil II der QS sei die Bearbeitung neuer wichtiger Themen in einem eigenen wissenschaftlichen Team wesentlich. Der Referent brach eine Lanze für die Festlegung eigener Höchstwerte (auch bei noch nicht geregelten Parametern) um gesetzliche Vorgaben langfristig sicher einhalten zu können. Die QS bei Hipp untermauerte die Präsentation für den Standort Pfaffenhofen mit Zahlen: Mehr als 110 Mitarbeiter*innen in zehn Teams bearbeiteten mehr als 25.000 Prüflose und 345.000 Analysen, 50 % davon im internen Labor. Darüber hinaus seien weitere QS-Mitarbeiter*innen an anderen Standorten mit angeschlossen.
Dr. Anna Fecke (Eurofins Food Germany) sprach über „Föderalismus und der Vollzug des Lebensmittelrechts: Folgen für Industrie und Handel am Beispiel Chlorat in Fischereierzeugnissen“. Mögliche Quellen von Chlorat seien die Verwendung von gechlortem Trinkwasser, die Reinigung bzw. Desinfektion mit chlorhaltigen Wirkstoffen und der Eintrag über Reinigungsmittel wie z. B. Kalilauge.
Der von der WHO empfohlene Richtwert für Chlorat im Trinkwasser liege bei 0,7 mg/kg. Dabei verwies die Referentin auf den Bericht des BVL zur Lebensmittelkontrolle 2019: Von 80 Proben Pangasius-Tiefkühlfilets aus vietnamesischer Aquazucht wiesen 79 % der Proben Chlorat auf. 10 % der Proben waren über dem akuten Referenzdosiswert von 0,036 mg/kg Körpergewicht. 2020 hätten allerdings die aktuellen Chlorat-Gehalte in Fischen und Garnelen deutlich abgenommen. Empfohlen werde eine Deklarierung bei Tiefkühlware, die Eiswasserglasur unter fließendem Wasser abzuwaschen, um eventuell vorhandenes Chlorat so zu reduzieren.
Recht und Kennzeichnung Peter Loosen (Lebensmittelverband Deutschland) gab eine Präsentation zu „Grüner Deal und neue Strategie vom Hof auf den Tisch – was bedeutet sie für die Lebensmittelwirtschaft?“ Darüber hinaus sprach Hildegard Rennebaum vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen über „Beanstandungspraxis und Aktuelles aus der Lebensmittelüberwachung“.
Das Thema „Hanfhaltige Lebensmittel – rechtliche Situation und Fallstricke“ beleuchtete Dr. Stefan Walch vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe. Bernd Kurzai (Edeka Verband) behandelte in seiner Präsentation die Frage „Nutri Score – wie rechtssicher ist die Verwendung?“
Listerien Dr. Edwin Ernst vom Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg gab eine Präsentation zu „Listerien und die Verordnung EG Nr. 2073/2005 – Herausforderungen für Unternehmen und Behörden“. Passend zu dieser außerordentlichen mikrobiologischen Herausforderung der Produktion behandelte Katja Herdering (Zur Mühlen Pruduction Services) den praktischen Teil in ihrem Vortrag das Thema „Systematisch Listerien im Griff haben: Praxisbericht aus Brühwurstwerken“.
Qualitätskultur „Motivieren Sie noch oder führen Sie schon? Durch wertebasierte Führung das Qualitätsbewusstsein steigern“, diese Frage stellte die Präsentation von Florian Frankl (Milei/Q-Enthusiast), die den Vortragsblock „Qualitätskultur“ einleitete. Carla Latijnhouwers vom TWI Institut sprach über „Unterweisung kann man lernen! Vorführung der TWI-Job instruction-Methode“ und zeigte damit einen bewährten Weg zur verbesserten Mitarbeiterunterweisung. Stimmen der Teilnehmer*innen
Nach der Veranstaltung äußerten sich verschiedene Teilnehmer*innen auf Nachfrage der LVT-Redaktion mit einem schriftlichen Statement zur 12. Akademie Fresenius QS-Leiter Tagung als Online-Konferenz am 8. und 9. Dezember 2020:
„Auch online hat sich die Teilnahme an der QS-Leitertagung von Fresenius wieder gelohnt. Mit dem Eindruck des gerade bestandenen IFS-Audits in unserem Haus, waren die Beiträge über die kommenden Änderungen bei IFS 7 passend. Auch der Beitrag über ein weltweites Lieferantenmanagement ist bei einem Gewürzwerk immer aktuell, denn die wenigsten Gewürze und Kräuter wachsen in Europa. Auch Rückstands-, Kontaminanten- und Allergenanalytik und Management sind bei uns täglich Brot. Ich freue mich auf die nächste QS-Leitertagung, hoffentlich wieder als Präsenzveranstaltung, denn die anregenden Smalltalks in den Pausen und bei der Abendveranstaltung haben doch gefehlt“, so Ute Sasse, Leiterin der Qualitätskontrolle bei Hela Gewürzwerk Hermann Laue in Ahrensburg.
„Vielseitige Veranstaltung in einem neuen Format, welches Zeit und Wege spart. Als Fachreferentin eine neue Erfahrung, die für die aktuelle Situation sehr passend ist. Andere interessante Referenten und Teilnehmer haben die zwei Tage kurzweilig gemacht. Durch den spannenden Teilnehmerkreis werden die Fachthemen auch ohne direkte Präsenz an ein interessiertes Fachpublikum verteilt. Es wäre schade gewesen, wenn diese Veranstaltung nicht hätte stattfinden können“, schrieb Dr. Anna Fecke, Sales Team Managerin bei Eurofins NDSC Food Testing Germany an LVT.
„Die QS-Leiter-Tagung bot auch dieses Jahr eine große Vielfalt an interessanten Themen. Die Mischung aus eher Allgemeinem, wie IFS-Zertifizierung bis hin zu Details in der Vermeidung von mikrobiologischen Risiken im Betrieb spiegelte die Bandbreite der täglichen Arbeit wider und verschaffte mir neue Einblicke und Denkanstöße. Obwohl wir uns nicht persönlich treffen und z. B. in der Kaffeepause austauschen konnten, wurde in guter Atmosphäre präsentiert und diskutiert“, so Dr. Norbert Fuchsbauer, Leiter der Interessenvertretung – Lebensmittelsicherheit im Hipp-Werk Georg Hipp.
Fazit Auch im neuen Format der Online-Konferenz haben Inhalt und Konzeption der QS-Leitertagung einmal mehr überzeugt und auch die Technik hat im digitalen Format beste Qualitäten bewiesen! Wichtige Impulse wurden in lebendigen Diskussionen gesetzt, inspiriert von der professionellen Moderation von Prof. Dr. Markus Grube (KWG Rechtsanwälte). Erneut profitierte die Veranstaltung von der perfekten Organisation und dem stringente Zeitmanagement des Teams der Akademie Fresenius rund um Ilka Müller. Auf die Folgeveranstaltung darf man gespannt sein.