Robust gegen Pasteurisierung und mehr …
Brazzein: Ein Protein außergewöhnlicher Süße aus der Forschung der Partner Roquette Frères und BRAIN Biotech
Für ein gesünderes Leben – v. a. ein länger gesundes Leben - können weniger Zucker, Salz und Fett einen großen Beitrag leisten. Eine aktuelle Publikation von Wissenschaftlern der Tufts University macht den Nutzen greifbar: Sie sagen am Beispiel einer Zehnjahresbetrachtung für die USA voraus, dass eine Zuckerreduktion in verschiedensten Produkten um 10 – 40 % über 2 Millionen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 500.000 Todesfälle und 750.000 Diabetes-Erkrankungen verhindern könnte [1]. Allein in Deutschland könnten 16,8 Mrd. € Gesundheitskosten durch eine gesündere Ernährung eingespart werden [2].
Die Vorteile für Gesundheit und mögliche Kosteneinsparungen führten in mehreren europäischen Ländern bereits zu Reduktionsstrategien, zum Teil mit vom Gesetzgeber vorgegebenen und damit verpflichtenden Höchstgrenzen für Zucker [3].
Reformulierung
Möglichkeiten Zucker und damit die Kalorienzufuhr zu reduzieren, stehen schon seit längerer Zeit im Fokus der Produktentwickler. Die Faktoren Kosten und Geschmack sind dabei große Hürden, die eine Reformulierung bestehender Produkte nehmen muss. Dazu kommen funktionale Eigenschaften des Zuckers, wie bspw. Textur, Volumen, Konservierung und Feuchtigkeitsbewahrung. Diese Funktionen können bspw. durch Zuckeraustauschstoffe kompensiert werden.
Ein wesentlicher Anteil der Zuckerzufuhr entfällt auf gesüßte Getränke. Dort kommen meist Süßstoffe zum Einsatz, die einen kalorienfreien Genuss ermöglichen sollen. Beispiele sind Sucralose, Saccharin oder Cyclamat. Insgesamt sind zehn Süßstoffe in der EU zugelassen. Mehr als genug denken Sie? Weit gefehlt, denn Verbraucher und Lebensmittelindustrie suchen fortwährend nach neuen und vor allem aber nach natürlichen Alternativen. Bisher besteht die nutzbare Palette natürlicher Süßstoffe vor allem aus Stevioglykosiden, welche nicht universell für alle Produktklassen einsetzbar sind.
Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen
„Die Natur hat die Lösung“ sagten sich Naturstoffchemiker und Zellbiologen bei Brain Biotech, und begaben sich gemeinsam mit Roquette Frères auf die Suche nach natürlich vorkommenden Süßstoffen und Süßgeschmacksverstärkern. Zusammen mit Partnern der Konsumgüterindustrie wurde fünf Jahre in die Forschung investiert, um ein gutes Vorhersagemodell für den Süßgeschmack zu generieren und um in einer Ressource von über 20.000 Naturstoff-Proben die „süße“ Nadel im Heuhaufen zu finden. Für das Durchmustern dieser großen Anzahl hätte man allein durch sensorische Verkostungen über 20 Jahre gebraucht. Darüber hinaus standen nur kleine Mengen der Naturstoffe zur Verfügung, was die Bewertung der Unbedenklichkeit für eine sensorische Prüfung unmöglich machte. Dagegen schaffte es das etablierte zellbasierte Süßmodell, die Proben in nur einem Jahr auf ca. 300 Kandidaten einzugrenzen. Diese überschaubare Anzahl konnte toxikologisch bewertet und fast alle Proben konnten für eine sensorische Prüfung in größeren Mengen bereitgestellt werden.
Es wurden alle rund 300 Kandidaten verkostet. Warum? Das Labormodell zur Vorhersage der Süße funktioniert sehr sensitiv und sagt voraus, ob ein Stoff süß ist – dies ist allerdings nur eine Dimension des Geschmacks. Um einen Geschmackseindruck, bspw. einer schwarzen Johannisbeere, zu erhalten, sind viele Sensoren in Mund und Nase aktiv. Unser Gehirn integriert die Grundgeschmacksrichtungen süß, salzig, bitter, sauer und umami von unserer Zunge, das Mundgefühl von Gaumen und Mundraum sowie die Aromen, die von der Nase wahrgenommen werden.
Mit einer einzigen Verkostung können all diese Eindrücke zusätzlich zur Süßkraft wahrgenommen und für eine Einordnung des Naturstoffes herangezogen werden. Der Faktor Mensch ist in diesem Schritt extrem wichtig. Um im Beispiel der schwarzen Johannisbeere zu bleiben, würde das Süßmodell im Labor die Süße wahrnehmen, jedoch nicht die sauren, bitteren und adstringierenden Anteile. Diese verschiedenen Geschmacksnoten sind auch typisch für einzelne Naturstoffe – dies erfuhren die Verkoster am eigenen Leib. Ihnen ist es zu verdanken, dass bitter-süße Stoffe aussortiert wurden und nur die sensorisch besten Kandidaten ausgewählt wurden.
Schließlich wurden über fünf süße und süß verstärkende Naturstoffe gefunden, die geschmacklich überzeugen konnten. Dieses süße Portfolio wird aktuell Partnern aus der Konsumgüterindustrie zum Test in eigenen Produkten angeboten. Es bleibt spannend zu beobachten, welche Naturstoffe im Produkt überzeugen und schließlich den nächsten Schritt in Richtung Produktion und Zulassung machen.
Brazzein
Ein besonderer Kandidat des Forschungsprogramms, mit welchem sich die Partner Roquette Frères und Brain Biotech schon länger beschäftigten, ist Brazzein. Dieses süße Protein wurde als erster Kandidat für eine Kommerzialisierung ausgewählt, weil es mit seiner Süßkraft, Geschmack und Mundgefühl überzeugen konnte. Es schmeckt ähnlich wie Zucker und ist zwischen achthundert- und zweitausendmal süßer. Möchte man eine Zuckerlösung von 100 g/l (klassischer Softdrink) äquivalent mit Brazzein süßen, benötigt man etwa achthundertmal weniger, nur 0,125 g Brazzein, um die Süßkraft von 100 g Zucker pro Liter zu erreichen. In einer Anwendung mit weniger Zucker, bspw. mit 25 g/l benötigt man sogar rund zweitausendmal weniger.
Technologisch ist der 54 Aminosäuren kleine Protein-Süßstoff aufgrund seiner stabilen Struktur besonders interessant. Brazzein denaturiert nicht bei 70 °C wie andere Proteine, was eine Pasteurisierung ohne den Verlust der Süßkraft ermöglicht. Das Protein bleibt sogar für zwei Stunden bei 98 °C und für mindestens vier Stunden bei 80 °C intakt. Zudem weist es eine hohe pH-Stabilität auf. Brazzein toleriert Werte zwischen pH 2,5 und pH 8 [4].
Man findet Brazzein in Beeren der westafrikanischen Pflanze Pentadiplandra brazzeana, welche schon lange als Süßungsmittel bekannt sind [4]. Diese natürliche Quelle ist jedoch nicht geeignet, um den großen Bedarf, bspw. für die Zuckerreduktion in Getränken, nachhaltig zu decken.
Wie produziert man ein Protein nachhaltig?
„Die Natur hat die Lösung“ sagten sich die Biotechnologen und Bioprozess-Spezialisten bei Brain Biotech. Fermentationen liegen klar im Trend und gezielte Fermentationsprozesse, neudeutsch „Precise fermentation“, ist eine Kernexpertise des Unternehmens. Insbesondere das Finden des besten Produktionsstammes und die Skalierung eines Prozesses vom Labor in den Produktionsmaßstab ist eine Kompetenz, die am Beispiel von Enzymen – ebenfalls Proteine – über viele Jahre in der Unternehmensgruppe aufgebaut wurde.
Zur nachhaltigen Produktion von Brazzein durch einen GRAS- (Generally Recognized As Safe) Mikroorganismus war es nötig, den einen geeigneten Stamm zu finden, den Bauplan für Brazzein in den Produzenten einzubringen, einen Bioprozess zu entwickeln, diesen zu optimieren und in einen Produktionsmaßstab zu bringen. Dies war Gegenstand einer mehrjährigen Forschungsphase, welche nun in eine Vereinbarung zwischen Roquette Frères und Brain Biotech zur Produktion und Zulassung von Brazzein für den Lebensmittel- und Getränke-Sektor mündete.
Unter Einbindung von Partnern aus der Konsumgüterindustrie werden die Weichen gestellt, dass Brazzein in ein paar Jahren die Palette der Süßstoffe und damit den Werkzeugkasten für die Reformulierung von zuckerreduzierten Produkten erweitern kann. Mit einem zuckerähnlichen Süßstoff werden Produkte möglich, die durch hohe Akzeptanz, basierend auf einem guten Geschmack, einen großen Beitrag zu gesünderer Ernährung leisten können.
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